Haftungsfragen bei der Verwendung von Sommerreifen im Winter

Immer wieder zum Anfang des Winters stellt sich die Frage, inwieweit ein Autofahrer haftet, der mit Sommerreifen in einen Unfall verwickelt wird.

Zunächst stellt sich die Frage nach einer zwingenden rechtlichen Regelung hinsichtlich der Reifenwahl:

Eine spezielle Vorschrift zur Verwendung einer der beiden Reifenarten bei winterlichen Straßenverhältnissen ist in der StVO und der StVZO Verordnungen nicht getroffen.

Lediglich das Verkehrszeichen Nr. 268 der StVO (Schneekettenpflicht) ordnet witterungsbedingt unabhängig von der Reifenart die Verwendung von Schneeketten an, so dass so gekennzeichnete Streckenabschnitte nur mit diesen befahren werden dürfen. Selbst Allrad-angetriebene Kfz müssen auf Strecken, die mit diesem Zeichen gekennzeichnet sind, mit Ketten ausgestattet werden.

Auf allen anderen Strecken können auch bei Schnee und Eis sowohl Sommer- als auch Winterreifen verwendet werden, sofern deren Hauptprofil - d. h. die breiten Profiltiefe im mittleren Bereich der Lauffläche - noch mindestens 1,6 Millimeter Profiltiefe aufweist (§ 36 Absatz 2 StVZO).

Generell ist dabei jedoch § 3 der StVO zu beachten, nach dem die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit nur unter den günstigsten Umständen gilt. Der Fahrzeugführer muss demnach sicherstellen, dass er - angepasst an die Witterungsverhältnisse - sein Fahrzeug jederzeit beherrscht. Der Benutzer von Sommerreifen, die zu längeren Bremswegen und geringerer Spurtreue bei Eis und Schnee führen, muss seiner Reifenart seine Geschwindigkeit anpassen, so dass sogar geringe Geschwindigkeiten wie 30 km/h innerorts oder 50 km/h außerorts zu schnell sein können. Daher ist bei Eis und Schnee mit Sommerreifen entsprechend vorsichtiger und langsamer zu fahren.

Im übrigen gibt es auch in Österreich keine Vorschrift, Fahrzeuge im Winter mit Winterreifen auszurüsten.

Lediglich die Verwendung von Schneeketten kann für bestimmte Streckenabschnitte vorgeschrieben sein. Hiervon wird oftmals dann wieder eine Ausnahme gemacht, wenn es sich um ein Fahrzeug mit Allradantrieb handelt.

Bei der Haftung ist grundsätzlich zwischen der Haftung aus der Kfz-Haftpflichtversicherung und der Eintrittspflicht der Kasko-Versicherung zu unterscheiden.

Mithaftung bei der Verwendung von Sommerreifen aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs

In der einzigen uns vorliegenden veröffentlichten Entscheidung des AG Trier vom 21.03.1986 - 6 C 220/85 - (ZfS 1987, 162) zu diesem speziellen Themenkreis sieht diese in der Verwendung von Sommerreifen im Winter eine Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs, auch wenn eine Ausrüstung mit Winterreifen nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Daher geht das Gericht in dem dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt von einer Mithaftung von 20 % aus der Betriebsgefahr aus, wenn es zu einer Behinderung eines mit Sommerreifen ausgestatteten bevorrechtigten Kraftfahrzeuges im Winter auf verschneiter Straße kommt und dieses durch Bremsen ins Schleudern kommt.

Hier kann der Fahrer wegen seiner Sommerreifen nicht den Entlastungsbeweis des Idealfahrers nach § 7 Absatz 2 des StVG führen und haftet auch ohne Verschulden mit.

Regress durch die Kfz-Haftpflichtversicherung wegen einer Obliegenheitsverletzung Nach den Versicherungsbedingungen kann die Kfz-Haftpflichtversicherung nach einer Schadenersatzleistung an Dritte Regress bis zu einer vereinbarten Höhe vom Versicherungsnehmer fordern, wenn dieser seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt hat.

Eine der vertraglichen Obliegenheiten ist die Anzeige einer Gefahrerhöhung, wie sie z. B. bei der wissentlichen Benutzung von abgefahrenen Reifen vorliegt.

Da Sommerreifen jedoch wie vorstehend ausgeführt, nach dem Straßenverkehrsrecht generell für die Benutzung auch im Winter zugelassen sind, liegt in deren Benutzung keine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung (ähnlich für den Fall der ungleichmäßigen Bereifung das Urteil des BGH vom 26.06.1968 - IV ZR 534/68, - in VersR 1968, 834).

Eintrittspflicht der Kasko-Versicherung für Schäden am eigenen Fahrzeug

Nach § 61 des Versicherungsvertragsgesetzes kann die Kaskoversicherung die Leistung verweigern, wenn der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wurde.

Entscheidungen von Gerichten zu der Frage, inwieweit ein Unfall, der durch die Benutzung von Sommerreifen verursacht worden war, als grob fahrlässig herbeigeführt anzusehen ist, sind noch nicht veröffentlicht worden.

Grobe Fahrlässigkeit in diesem Bereich kann aber nicht alleine schon dann vorliegen, wenn Sommerreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen verwendet worden sind. Denkbar ist somit ein Leistungsausschluß nur dann, wenn weitere Gründe wie eine den Reifen unangepasste Geschwindigkeit oder z. B. eine Unterschätzung des Bremsweges auf Schnee mit zu dem Schaden am eigenen Fahrzeug führen (vgl. für eine mögliche grobe Fahrlässigkeit bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf vereister Straße das Urteil des LG Hechingen vom 29.10.1963 - II O 30/61-, VersR 1964, 671).